Forschungsergebnisse von Fraunhofer in ENERCON-Windenergieanlage erstmals erprobt

Lemgo /

(Lemgo / Aurich) Einer von Deutschlands größten Herstellern von Windenergieanlagen, ENERCON, hat gemeinsam mit dem Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo eine wegweisende Innovation für die Steuerung von Windenergieanlagen (WEA) entwickelt: Das neue Ultra-Hochgeschwindigkeitskommunikationssystem ist nun Ende 2022 im Windpark Staphorst in den Niederlanden erfolgreich in einer Windenergieanlage des Modelltyps E-138 EP3 mit einem Rotordurchmesser von 138 Metern und einer Nennleistung von 4,26 MW implementiert und getestet worden. Die neue Technik verbessert die Steuerung von sogenannten Einspeiseumrichtern. Bei der steigenden Anzahl von regenerativen Energieträgern kommt leistungsfähigen Einspeiseumrichtern eine zentrale Rolle zu. Somit ist die neue Fraunhofer-Technik ein wichtiger Baustein für ein robustes Energienetz der Zukunft. Das System ermöglicht es, die Wirk- und Blindleistungseinspeisung von Windenergieanlagen in das Energienetz in Echtzeit und präziser als jemals zuvor zu steuern und Potenziale für mehr Effizienz zu ermöglichen.

Die Energiewende mit den steigenden Anteilen von regenerativen Energieträgern und die sinkende Menge rotierender Massen stellt Energienetze vor neue Herausforderungen. Im Zuge der Einführung der neuen Generation von „E-Gondeln“ will der Hersteller ENERCON hier einen wichtigen Beitrag leisten: Die Leistungselektronik ist nicht mehr im Turm, sondern in der Gondel integriert. Die neue von Fraunhofer entwickelte Kommunikationstechnik ermöglicht es, auf der Grundlage einer sehr schnellen Echtzeit-Regelung den Wirkungsgrad der Leistungselektronik zu steigern und die Kosten des Einspeiseumrichters zu senken.

Beitrag des Fraunhofer-Instituts im Rahmen des gemeinsamen Prototyps: Die Kommunikationstechnik zwischen der zentralen Steuerung und den Umrichter-Einheiten (UE). Die Ansteuerung der sogenannten IGBT (insulated gate bipolar transistor) geschieht zyklisch, das heißt, die UE werden von der zentralen Steuerung mit Echtzeit-Informationen gesteuert, um eine optimale Effizienz und Energieeinspeisung in das Energienetz zu gewährleisten. Die Echtzeit-Messwerte fließen in die zentrale Steuerung. Durch kürzere Informationszyklen erhöht sich die Präzision der Steuerung in der Gesamtanlage und reduziert Störfrequenzen mit dem Ergebnis, dass die Qualität des eingespeisten Stroms signifikant erhöht und gleichzeitig die Lebensdauer der IGBT-Module bestmöglich ausgereizt wird. Diese schnelle Steuerungsreaktion gelingt durch Nutzung von Gigabit-Ethernet in Kombination mit einem optimierten Protokoll und Implementierung. Die Lösung erreicht eine Zykluszeit von 1,5 Mikrosekunden – eine Lösung, die schneller und präziser als die am Markt verfügbaren Kommunikationssysteme ist. Das Fraunhofer-Institut in Lemgo hat das optimierte Kommunikationsprotokoll entwickelt und auf der Steuerungs-Hardware von ENERCON implementiert. Fraunhofer ist damit der Transfer von Forschungsergebnissen, die 2021 auf der wissenschaftlichen Tagung KommA (www.jk-komma.de) erstmals der Öffentlichkeit publiziert worden sind, in die reale Anwendung gelungen.

Die Mehrwerte der neuen Kommunikationstechnik haben die beiden Projektpartner zur Realisierung in dem Prototyp der ENERCON-E-Gondel im Modelltyp E-138 EP3 mit 138 Meter Rotordurchmesser und einer Nennleistung von 4,26 MW überzeugt: Zum einen ist eine besonders einfache Integration der Elektronik in ein bestehendes System möglich, da die Lösung Plug-and-Play-Fähigkeiten unterstützt, was die Lösung zudem kostengünstiger werden lässt. Dann bietet sich durch die Geschwindigkeit die Möglichkeit zur genaueren, filigraneren Steuerung, wodurch die WEA mit höherer Effizienz und geringerem Verschleiß gefahren werden kann. Dieser Vorteil wirkt sich vor allem bei größeren Windenergieanlagen aus, die leistungsfähiger als kleinere sind und nur einen Standort statt mehreren mittleren oder kleinen beanspruchen – somit ist die Effizienz größer. 

Der Einsatz bzw. der Rollout der nächsten Generation von Windenergieanlagen könnte einen signifikanten Anteil daran haben, die Energieerzeugung durch Wind zu optimieren und somit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende bzw. zum Klimaschutz zu leisten. Wie hoch das konkrete Potenzial der Effizienzsteigerung einer einzelnen Anlage tatsächlich ist, wollen die Projektpartner nun im laufenden Betrieb ermitteln.

Der Projektleiter für die Entwicklung dieser neuen Kommunikation, Fraunhofer-Gruppenleiter Dr.-Ing. Holger Flatt, freut sich über die im Einsatz arbeitenden Forschungsergebnisse: „Was mich persönlich hoch erfreut ist, dass eine neue Technologie von uns in einer Pilotanlage im Einsatz ist. Es ist für uns bei Fraunhofer die zentrale Mission, Forschung in den Dienst der Anwendung zu stellen – hier ist sie bereits im praktischen, operativen Betrieb und leistet einen Beitrag zur Energieerzeugung der Zukunft.“